Im Obstbau sind Wissen, Technik und Verantwortung längst Alltag – doch die öffentliche Debatte rund um Pflanzenschutz ist oft von Misstrauen und pauschaler Kritik geprägt. Meta Hauschildt, Obstbäuerin im Alten Land, spricht im zweiten Teil unseres Interviews über die Herausforderungen, die daraus für Betriebe entstehen – und welche Unterstützung sie sich von der Politik wünscht.
Wir Landwirtinnen und Landwirte haben oft geschwiegen und versucht mitzumachen, zu erklären, Kompromisse zu finden. Aber das hat uns in vielen Bereichen nicht weitergebracht. Viele Menschen glauben wir würden permanent spritzen, Gift versprühen und rücksichtslos wirtschaften. Dabei besteht unsere tägliche Arbeit aus Beobachten, Abwägen und Entscheiden. Ich habe mal versucht das auf Instagram zu zeigen, aber es ist wahnsinnig zeitintensiv. Man müsste fast ein Medienprofi sein. Dabei haben wir eigentlich schon genug andere Berufe: Biologin, Chemikerin, Mechanikerin, Buchhalterin und jetzt auch noch Influencerin?
Wir müssen Wege finden, Medien, Politik, Wissenschaft und Praxis besser zu verknüpfen. Es braucht mehr Austausch, mehr Verständnis auf beiden Seiten. Ich denke oft: Kommt doch einfach mal raus und schaut euch an was wir tun. Lasst euch zeigen was funktioniert und wo die Probleme liegen.
Wir brauchen eine öffentliche Diskussion, die wieder wissenschaftlicher wird. Dazu gehört auch: Ursachenforschung betreiben, bevor man Grenzwerte festlegt oder ganze Regionen zum Wasserschutzgebiet erklärt. Und: Wer von Landwirtinnen und Landwirten verlangt ihre Produktionsweise anzupassen, muss bereit sein das gesellschaftlich mitzutragen – auch finanziell.
Wichtig wäre zum Beispiel eine flexiblere Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf EU-Ebene, die auch kleinere Kulturen berücksichtigt. Statt Totalverboten wäre eine Förderung integrierter Systeme sinnvoll – Systeme, die Effizienz, Umwelt- und Verbraucherschutz verbinden.
Außerdem denke ich global. Es bringt nichts, wenn wir die Produktion in Europa durch überzogene Verbote drosseln und dann auf Importe setzen, bei denen unter ganz anderen Standards produziert wurde. Regional erzeugte Lebensmittel bedeuten nicht nur kurze Transportwege, sondern auch Transparenz und Kontrolle. Wir leisten hier einen Beitrag zur Ernährungssicherheit – und das mit hoher Qualität. Aber das geht nur, wenn uns die nötigen Werkzeuge nicht genommen werden.
Ganz konkret: Frühere Blütezeiten, mehr Extremwetterphasen, neue Krankheiten, aber auch längere Vegetationsperioden. Gleichzeitig nimmt der Druck durch Schädlinge zu. In heißen Jahren entwickeln sich Insektenpopulationen rasant. Auch das erhöht den Bedarf an Monitoring und gegebenenfalls Pflanzenschutzmaßnahmen.
Wir müssen aufhören schwarz-weiß zu denken. Pflanzenschutz ist nicht gut oder böse. Es ist ein Werkzeug. Es kommt darauf an, wie wir es nutzen. Und wir nutzen es heute verantwortungsvoller denn je. Wir brauchen Landwirtinnen und Landwirte, die bereit sind, sich weiterzubilden und neue Wege zu gehen – und eine Gesellschaft, die bereit ist zuzuhören. Wir wollen gesunde Lebensmittel für alle und wir können das. Aber dazu brauchen wir auch politische und gesellschaftliche Rückenstärkung.
Hinrich Brase:
In fünf bis zehn Jahren wird Spot Spraying Standard sein, das heißt digitale Entscheidungshilfen zur Unkrautbekämpfung, nicht nur im Gemüsebau. Der gesellschaftliche und politische Druck macht präzise Pflanzenschutzlösungen alternativlos. Mit jeder neuen Softwaregeneration erkennt und differenziert die Technik Unkräuter besser. Wo wir uns heute schon sicher sind: Präzision lohnt sich – ökonomisch und ökologisch.